Unerwartete Umstände

Unerwartete Umstände

Heute im Laufe des Nachmittags würden wir unser vorläufiges Ziel erreichen. Zwerg und Vitali konnten es sicher kaum erwarten. Die Zeit bis dahin konnten wir aber noch sinnvoll nutzen. Zwerg und Vitali fütterten weiterhin die Fische. Cart verwickelte einige der Händler in längere Gespräche um Informationen über die Gegend zu erhalten und ich verkroch mich in meiner Kabine. Diese war groß genug ein paar ungewöhnliche Übungen zu durchzuführen. Das Zaubern in Zwangslage sozusagen. Als im Liegen oder von Wand hängend mit einem Arm. Auch von der Decke hängend mit zwei Armen. Mitten im Raum schwebend. Be prepared! gehört zu den wichtigsten Grundsätzen der Zauberei und damit ist nicht alleine das Lernen der Zauber gemeint. Den Rest des Tages verbrachte ich damit Land und Leute zu beobachten. Bis, ja bis ich es dann doch nicht mehr aushielt und den Kapitän nach der Antriebsmethode befragte. Die Antwort kam lapidar, ein Wasserelementar würde das Schiff durchs Wasser bewegen. Aha! Es kostete mich einige Anstrengung mir meine Überraschung nicht ansehen zu lassen, beziehungsweise den Kapitän nicht mit offenem Mund anzustarren. Ein Wasserelementar. Wahrlich, die Bedeutung von Zauberei schien hierzulande eine andere zu sein.
Nachmittags erreicht wir unser vorläufiges Ziel Hukoon Draal. Eine wirklich riesige Stadt mit einem gigantischen Hafen. Schon vom Schiff aus konnte man die Hektik und Geschäftigkeit auf dieser brodelnden Metropole erkennen, die von außen wie ein wahnwitziger Flickenteppich aussah. In diesem Meer aus eher niedrigen Gebäuden unterschiedlichster Couleur erhob sich ein beeindruckender roter Turm. In diesem Turm lebte, man glaubt es kaum, der Hobgoblin König Lesh Hamues. Das mussten wir erst mal verdauen. Eine riesige Goblinstadt und ein Hobgoblin König. Wer hatte denn sowas schon mal gehört. Und irgendwo in dieser Häuserwüste musste der Blutmarkt sein. Und Failin.
Da wir nicht genau wussten, was auf uns zukam und ob wir wieder zum Hafen zurückkehren würden, beschlossen wir alle zum Blutmarkt aufzubrechen. Laut Kapitän hatten wir Glück, es war gar nicht so weit. Apropos Kaptän. Er bedankte sich nochmals bei uns für die Verteidigung des Schiffes und stellte uns ein offizielles Dankschreiben aus. Nicht schlecht.
Der Weg durch die Stadt war wie ein schlechter Traum. Goblins überall, aber auch Menschen, Elfen, Zwerge und sogar der ein oder andere Gnom. Die Stadt, obwohl riesig, schien überfüllt. Es war nicht einfach durch die Straßen zu kommen. Allerdings mussten wir auch nur dem Strom der Leute folgen um praktisch wie von selbst zum Blutmarkt zu kommen. Der Markt selbst schien noch chaotischer und voller als die restliche Stadt. Es gab praktisch alles zu kaufen. Es schien keine gesetzlichen Regeln zu geben. Das brachte mich auf einen Gedanken. Wir hatten ja noch dieses Gift, das einmal für unser Abendessen vorgesehen war. Keiner in der Gruppe fühlte sich wirklich wohl im Umgang mit Gift beziehungsweise lehnte den Einsatz sogar moralisch ab. Wir brauchten es nicht. Also suchte ich mir einen Händler, der ähnliche Waren im Angebot hatte und bot es ihm an. Im Feilschen war ich zugegebenermassen nicht wirklich erfolgreich aber das war ja auch nicht nötig. Ich bekam zwanzig Goldstücke für das Gift und die Information, wo wir Failin finden würden. In der Taverne Zur geballten Faust.
Um zur Taverne zu gelangen, mussten wir fast über den gesamten Markt. Das dauerte seine Zeit. Es gab viel zu sehen und zu hören. Die Geschäfte wurden hier nicht nur lautstark sondern oft auch gewaltsam durchgeführt. Einer der Gründe, warum ich beim Feilschen nicht so erfolgreich war. Manchmal war es knapp, aber wir schafften es unangefochten bis Zur geballten Faust.
Das Innere war, nun ja, für eine Goblinstadt vermutlich bereits ein Etablissement der gehobenen Kategorie. Spelunke wäre ein unverdientes Lob gewesen. Failin würde vermutlich einsam an einem Tisch in einer dunklen Ecke sitzen, wie es das Klischee verlangte. Mal sehen. Tatsächlich. Da gab es einen einsamen Gast. Aber ab hier wurden meine Erwartungen massiv entäuscht. Weder wurden wir von Failin erwartet, noch wusste er was er zu tun hatte und eine Bezahlung wollte er auch. Nach allem was wir bis jetzt wussten, und das war ja nicht viel, würden wir Redrock alleine nur mit viel Glück finden und vermutlich zu spät. Wir brauchten einen Führer und Failin war uns ja empfohlen worden. Eine der Tätowierungen auf seinem Arm hatten wir bei Elyndred bereits gesehen. Es gab also eine Verbindung. Adalbert hielt eine verwandtschaftliche Beziehung für nicht so unwahrscheinlich. Nun, wir konnten die Reise nutzen und uns unterwegs umfassend über Land und Leute, sowie Familien informieren. Die Stimmung in der Gruppe war durchwachsen, aber letztendlich einigten wir uns auf einen Preis und zahlten mit den Schuldscheinen aus dem Rucksack. Die Pferde würden wir mitnehmen obwohl Failin davon abgeraten hatte. Wir würden mit seinem Wagen reisen und die Pferde würden uns verlangsamen. Was sollte das nun wieder? Was genau meint er mit Wagen? Eine Kutsche mit Erdelementarantrieb? Spinner. Wir hielten uns nicht länger auf und folgten Failin aus der Stadt.
Failin, nicht sehr beredt, führte uns zu einem Fels nicht weit von der Stadt entfernt. Tatsächlich legten wir die größte Entfernung in der Stadt zurück. Der Fels war an einer Stelle, die man nur schwer einsehen konnte. Dort legte er eine größere Tätowierung auf seinem Unterarm frei und sprache auf Draconisch ein Wort, das soviel wie „Reise“ bedeutete. Ich verstand das natürlich, die Vorteile einer humanistischen Bildung. Daraufhin öffnete sich der Fels und eine Kutsche ohne Pferde kam herausgerollt. Was soll ich sagen. Wieder einmal stand ein Teil der Gruppe mit offenem Mund herum. Meine diesbezüglichen Nachfragen, ergaben, dass es sich tatsächlich um eine erdelementargetrieben Kutsche handelte. Das zusammen mit der Tatsache, dass wir von hier drei, ich wiederhole drei, Monde am Himmel sehen konnte, bewies, wir waren sehr, sehr weit von zuhause entfernt.
Failins „Wagen“ war riesig. Das erlaubte es uns, die Ponies im Wagen unterzubringen. Zugegeben, das diente nicht gerade der Bequemlichkeit, aber so konnten wir eine höhere Geschwindigkeit erreichen. Größtenteils waren wir auf befestigten Straßen oder Wegen unterwegs. Je näher wir aber dem Ziel kamen, umso desolater war ihr Zustand, so daß wir gelegentlich auch mal einen kleinen Umweg in Kauf nehmen oder die Straße von Buschwerk und Bäumen befreien mussten.
Failin selbst erwies sich als geduldig aber wortkarg. Wir mussten ihm praktisch jede Information einzeln aus der Nase ziehen. Natürlich konnte er nicht wissen, wie groß unsere Wissenslücke war, für ihn war alles selbstverständlich.
Doch das ein oder andere erfuhren wir doch.
Die Leute hier nannten ihre Welt Eberon, die große Landmasse auf der wir uns befanden Khorvaire. Der größte Teil Khorvaires diente fast 1000 Jahre lang unter dem Banner des Königreichs Galifar, welches sich in fünf Nationen unterteilte, die von den Nachfahren des Königs regiert wurden. Der jeweils Älteste Nachkomme wurde nach dem Tod des Königs neuer König. Ein durchaus übliches Verfahren würde ich meinen. Vor ungefähr 100 Jahren kam es dann zu einem Krieg, dem letzten Krieg. Nach dem Tod des damaligen Königs gab es einen Streit um die Nachfolge. Hundert Jahre Krieg folgten bis Cyre, eines der Länder, durch eine magische Katastrophe unbekannter Herkunft vollständig vernichtet wurde. Die Regenten der anderen Länder dadurch anscheindend derart veränsgtigt, dass es zu Friedensgesprächen und letztlich zum Frieden kam. Obwohl dieser Zustand seitdem anhält, ist er doch zerbrechlich. Man traut sich nicht und jederzeit kann erneut ein Krieg ausbrechen.
Das Mal auf Failins Hand war ein Drachenmal. Es bezeugte die Zugehörigkeit zu einem der Drachenmalhäuser. In seinem Fall das des Hauses Cannith, ein Haus der Menschen, Handwerker und Magieschmiede. Ein Drachenmal verleiht dem Besitzer bestimmte magische Fähigkeiten. das hatten wir ja bereits gesehen. Insgesamt gab es ein Dutzend und eins Drachenmalhäuser.
Die Verehrung der göttlichen Heerschaar ist die am weitesten verbreitete Religion in Khorvaire. Die göttliche Heerschaar bestand aus nur noch neun Göttern, nachdem die dunklen Sechs daraus verstoßen wurden. Onatar zum Beispiel, war der Gott der Handwerkskunst und der Schmiede. Aha, deshalb auch die Verbindung mit Canith und Elydrend.
Die Reise dauerte einige Tage, doch endlich erreichten wir Rotbruch bei Anbeginn der Dämmerung. Einige der Abzweigungen die Failin nahm, waren tatsächlich für den unbedarften Reisenden kaum sichtbar. Einen Führer zu haben war durchaus von Vorteil. So wussten wir dadurch auch, ab wann es angebracht war vorsichtiger zu sein. Aus gutem Grund. Rotbruch lag in einem Tal und schon von weitem bemerkten wir die großen Lagerfeuer. Wir waren nicht die Ersten. Das war ja wieder mal klar. Also haben wir uns ein schön verstecktes Lager gesucht und, nachdem Carts Falke nur was von Nachtflugverbot krächzte, brach Vitali alias Fledermaus auf zur Lufterkundung von Rotbruch. Das Ergebnis war niederschmetternd. Neben einer Unmenge an zerstörten Gebäuden gab es nur zwei, die einigermaßen gut erhalten waren und die waren natürlich mitten drin. Das eine mag eine Kirche oder ein Tempel gewesen sein, das andere irgendwas ganz großes, laut Failin die Schleiferei. Das Problem allerdings waren nicht die Gebäude, sondern mehrere Menschen, Skelette und unzählige Zombiepatrouillen. Der Ort war besetzt! Neben der Kirche gab es eine Art Friedhof. Dort, so schien es, wurden ständig weitere Zombies erzeugt. Das bedeutete vermutlich die Anwesenheit eines höheren Priesters.
Wir sollten mit Failin über die Rückkehr verhandeln. Gleich.
Doch wir taten nichts dergleich. Die Küche blieb kalt, die Wachen wurden eingeteilt. Wir brauchten mehr Informationen und vielleicht sah die Situation bei Licht betrachtet besser aus.
Besser war vielleicht zuviel verlangt. Anders war das richtige Wort. Rotbruch sah anders aus. Tatsächlich sah die ganze Gegend so aus, als sei sie von einer Eisschicht bedeckt. Die ganze Ortschaft war glasiert. Selbst die Zombies waren von einer Eisschicht überzogen. Da sie sich bewegten, konnte es eigentlich kein Eis sein. Oder es war Zauberei im Spiel.
Was also tun? Guter Rat war teuer. Dafür reichte auch das Geld im Rucksack nicht. Selber machen war angesagt. Ein Frontalangriff schied aus. Die komischen Zombies waren tagaktiv und was sich noch alles in den Zelten versteckte wusste nur der Wind.
Wir brauchten einen Plan. Im Prinzip wollten wir die beiden einigermaßen intakten Gebäude untersuchen. Zumindest vorerst. Cart versicherte uns, er könne sich durch die feindlichen Linien bis in die Kirche schleichen. Wenn das klappte, könnte er die komplette Gruppe im tragbaren Loch mitnehmen. Die einzige freiwillige Meldung kam von mir. Aber mir ist das recht. So habe mehr Platz im Loch und die anderen können kommen uns zu retten. Die Hoffnung stirbt zuletzt, oder wie war das? Geplant getan. Ich machte Cart noch unsichtbar. Besser ist das. Dann stieg ich in das Loch. Cart nahm das Loch an sich und schlich erfolgreich zur Kirche. Wie erfolgreich konnte ich zum Glück im Loch nicht sehen. In der Kirche angekommen öffnete er einen kleinen Spalt des Loches, so daß ich frische Luft bekam und etwas sehen konnte. Ganz ehrlich? Auf letzteres hätte ich gerne verzichtet. In der Kirche erwartete uns neben den Symbolen der göttlichen Heerscharen an den Wänden auch eine große, regunglose Gestalt, mit blasser Haut, häßlicher Narbe, rotglühenden Augen, Fangzähnen im trendigen schwarzen Umhang. Sie bewegte sich nicht, hatte uns also vermutlich nicht bemerkt. Was nun? 

Was wir nicht wussten, in der Zwischenzeit hatte sich Jacques, der der das Licht sucht, ebenfalls in den Ort geschlichen. Er wollte in die Schleiferei. Dort fand er einen Boden, der eine riesige Landkarte darstellte, Arbeiter, die an einigen Stellen Löcher gruben, eine Kämpferin und ein Skelett.

Unklare Hinweise

Wie alles begann: Der Aufbruch

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