Die Karte

Die Karte

Der Schlüssel war also sozusagen der Schlüssel. Wir würden zu dieser Bank gehen und uns ansehen müssen, was es in diesem Fach gab. Da es sich um das Fach eines Magiers handelte war ich quasi prädestiniert für die Rolle des Schlüsselbesitzers. Allein wollte ich aber auch nicht zur Bank gehen. Daher wurde Avamys ausgewählt mich zu begleiten. Er kombinierte noch am hesten Seriosität mit Souveränität. Also machten wir beide uns auf den Weg. Die „Gesellschaft für die sichere Verwahrung wertvoller Utensilien“ befand sich in einem der vornehmeren Viertel der Stadt. Der Eingang selbst war allerdings völlig unscheinbar zwischen zwei prächtigen Portalen. Avamys wollte zuerst daran vorbeilaufen, da er die Tür übersehen hatte. Für mich war sie offensichtlich. Vielleicht lag es daran, dass ich den Schlüssel bei mir trug oder daran, dass ich ein wenig Erfahrung mit magischen Illusionen hatte. Hier waren wir jedenfalls richtig. Avamys betätigte den Türklopfer und kurze Zeit später öffnete uns ein älterer Herr. Tadellos in einer Art Uniform gewandet fragte er nach unserem Begehr. Ich teilte ihm mit, wir seien hier um etwas aus unserem Schließfach zu holen und er bat uns einzutreten. Geht doch. Es war wie ein Schritt in eine andere Welt. Hinter der unscheinbaren Tür befand sich eine große Empfangshalle mit einem Schalter aus geschnitztem Eichenholz. Ein Mitarbeiter der Gesellschaft fragte erneut nach unseren Wünschen und kontrollierte kurz den Schlüssel. Gleich darauf wurden wir von einem anderen Mitarbeiter zum Schließfach geführt. Komischerweise kann ich mich an den Weg zum Schließfach nicht errinnern und ich habe eigentlich ein ausgesprochen gutes Gedächtnis. Avamys ging es genauso. Ich vermute hier ist wieder einmal Magie im Spiel. Im Saal der Fächer angekommen schloß der Mitarbeiter ein Fach mit seinem Schlüssel auf. Um das Fach gänzlich zu öffnen musste ich dann mit unserem Schlüssel ein zweites Schloß öffnen. Daraufhin holte der Mann eine große, reich verzierte Kiste aus dem Fach, stellte sie auf einen Tisch und zog sich zurück. Wir sollten klingeln, wenn wir fertig seien. Wirklich spannend. Die Kiste selbst war nicht magisch und hatte nur ein einfaches Schloß, dass sich mit einem eben so einfachen Zauber leicht öffnen lies. Langsam öffnete ich den Deckel. Mir schien, die Kiste war leer. Aber, ich war nur zu klein. Avamys entdeckte den Inhalt fast sofort. Ganz unten in der Kiste drei Dinge. Zwei Pergamentrollen und ein altes Buch. Interessant. Vorsichtig begannen wir mit einer oberflächlichen Untersuchung. Offensichtlich handelte es sich um eine Karte der Gegend rund um Flußbrüggen, eine weitere Karte rund um eine Stadt Raleighs-Hof und eine Abschrift der Chronik von Raleighs-Hof. Wenn der Zauberer das hier aufbewahrte, musste es von einiger Wichtigkeit sein. Für eine genauere Untersuchung benötigte ich aber vermutlich ein paar Tage. Also mussten wir die Fundstücke mitnehmen. Da wir nicht wussten, was wir finden würden, hatten wir nur einen meiner Umhänge mitgenommen, Darin konnten wir die Karten und das Buch aber gut einwickeln und vor neugierigen Blicken sowie Witterungseinflüssen schützen. Bis in unsere Unterkunft musste das ausreichen. Die Holzkiste ließen wir im Schließfach zurück. Obwohl unser Führer ein Vorbild an Höflichkeit und Umgangsformen war, hatte ich doch irgendwie den Eindruck, dass er uns mißtrauisch beäugte. Wir beeilten uns, die Bank zu verlassen und zurückzukehren. Sicherheitshalber machten wir einen längeren Umweg. Es schien uns niemand zu folgen. In der Unterkunft präsentierten wir unseren Fund. Mein Vorschlag, die Karten und das Buch mit Hilfe meines Freundes aus der Bibliothek zu untersuchen stieß nicht auf Gegenliebe. Wieder einmal. Unabhängig davon, ob man dem Gnom vertrauen könne oder nicht, gab Cart zu Bedenken, dass es bereits einige Tote gab und man meinen Freund mit einer weiteren Beteiligung auch einem hohen Risiko aussetzte. Da musste ich ihm Recht geben. Das klang plausibel und das sah nach einer Menge Arbeit für mich aus. Ich machte mich gleich daran, die Chronik zu lesen. Erstmal nur auszugsweise um einen Überblick zu bekommen. Einige der anderen vertieften sich in die Karten. Sehr schnell fand ich heraus, dass die Chronik den Untergang von Raleighs-Hof beschrieb. Eine fürchterliche Seuche wütete über lange Zeit in der Stadt und rafft die Bevölkerung dahin. Interessant war auch noch die Erwähnung einer Magierakademie und einer geheimnisvollen Kammer des Wissens. Das versprach wirklich sehr interessant zu werden. Kurz gesagt, wir beschäftigten uns drei Tage mit den Karten und der Chronik. Eine grobe Zuordnung konnten wir schnell treffen. Raleighs-Hof musste sich im Rotwald nicht weit von der Stelle, an der wir mit den Baumfällern waren befunden haben. Na so ein Zufall. Während ich die Details ausarbeitete und mir noch ein paar Zusatzinfos aus der Bibliothek verschaffte, waren die anderen bereits mit den Reisevorbereitungen beschäftigt. Ich hätte ja gerne noch ein paar alchimistische Spielereien beigesteuert, aber dafür war einfach keine Zeit. Wer weiß, wer noch Bescheid wusste. Geschäftliche Interessen der Holzgesellschaften waren schon immer ein wenig dünn um als Grund für den Mord an zwei Holzfällergruppen, also deutlich über 20 Personen herzuhalten. Zumindest fand ich das. Es musste noch andere, uns bis dahin unbekannte Gründe geben. Das der Zauberer anscheinend auch involviert war sprach durchaus dafür. Er würde sich sicher nicht als Mittler zwischen Assassinen und Kaufleuten missbrauchen lassen. Für einen Magier ist die höchste Motivation Magie. Also war der Magier entweder an der Akademie oder an der Kammer des Wissens interessiert. Ich vermutete mal letzteres. Ob auch andere Parteien davon wussten und uns in die Quere kommen würden? Ob wir viel zu auffällig agiert hatten und bereits das nächste Ziel der Assassinen waren? Ob Archibald jemals ein eigenes Pferd bekommen würde? Zumindest die letzte Frage liess sich beantworten. Wir redeten solange auf ihn ein, bis er endlich zu seinem Verwandten bei der Stadtwache ging und sich den Klepper schenken lies. Wir wussten schließlich nicht, ob wir jemals zurückkommen würden. Am Tag darauf brachen wir früh morgens auf. Um keine weitere Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, ritten wir wieder Richtung Ogerwald los und verließen erst ein paar Stunden später die Straße um Richtung Rotwald zu reiten. Jacques war natürlich wieder zu Fuß unterwegs. Die Reise an sich war ereignislos, ja fast langweilig. Am frühen Nachmittag des zweiten Tages erreichten wir unser ehemaliges Lager im Rotwald. Wir würden noch heute mit der Suche beginnen.

Das Loch

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